Andreas Weiss: “Was hat dich an Linas Beziehung zu Loos eigentlich besonders interessiert?“
Walter Wehmeyer: “Vor allem die Entwicklung dieser Beziehung, die keine drei Jahre dauerte. Lina ist erst 19 Jahre alt, als sie mit Loos unerwartet einen Partner findet; sie möchten ihr Leben miteinander teilen. Eine zarte und liebevolle erste Zeit mit dem Architekten Adolf Loos – und dann, im Alltag und beruflichen Lebenskampf plötzlich die ersten Enttäuschungen. Wie war das mit den gemeinsamen Zielen? Es mehren sich Momente der Zurückweisung ihres Mannes, der wesentlich älter ist, der sie aufs Leben vorbereiten möchte, ihr nahe legt, wie sie sich verhalten soll. Statt Achtung erwächst eine seelische Mauer. Linas grundspontanes Wesen stört Loos oft auf unergründliche Weise. Der Ernst des Lebens stellt sich ein, das Gefühl, nicht so sein zu dürfen, wie man ist.“
Andreas Weiss: “Das klingt schon fast wie eine Beziehungskrise von heute.“
Walter Wehmeyer: “Was den Menschen in unserem Film geschieht, erleben wir heute ja auch. Wer kennt nicht das Gefühl, wenn einem etwas nicht zugetraut wird, man subtil belächelt wird und sich zermürbende Selbstzweifel oder Bitternis einstellen? In dieser Situation begegnet Lina dem Maturanten Heinz Lang, einem Menschen, dem alles Zögerliche und Verlogene verhasst ist. Brennende Liebe wächst in ihm und die Gewissheit, seine wahrhaftigen Gefühle auch leben zu dürfen.“
Andreas Weiss: “Eine Liebe, die aber nicht gerade viele Fans hatte. Alle außer Loos sollen über die Affäre Bescheid gewusst haben und manchen gefiel sie absolut gar nicht …“
Walter Wehmeyer: “Beargwöhnt wird die aufkommende Beziehung von Linas fürsorglichem Freund, dem Schriftsteller Peter Altenberg, der genau wie Lina, Loos und Heinz voller Sehnsucht nach Zärtlichkeit, nach Ausdrucksmöglichkeiten – heute würden wir sagen: nach Selbstverwirklichung sucht – und von der lebenserfahrenen Freundin Sofie von Waldegg. Lina stürzt in ein Nichts, flüchtet in ihre eigene Welt. In der Einsamkeit einer Hütte in den Bergen beginnt ihre Suche nach Klarheit und der eigenen inneren Stimme.“
Andreas Weiss: “Und nach dieser Zeit könnte ein Film über Lina noch locker weitergehen, bei allem, was sie so erlebt hat.“
Walter Wehmeyer: “Stimmt. Das ganze Leben von Lina Loos war beeindruckend, weil sie eine außerordentlich mutige und konsequente Frau war. Aber das Scheitern der Ehe mit Loos war prägend für Lina Loos, die sich bis zu ihrem Tod 1950 zu einer außergewöhnlichen Vorreiterin in der Frauen- und Friedensbewegung entwickeln sollte. Heute sind ihre philosophischen Schriften kaum bekannt, zahlreiche Briefe, die sie sich über viele Jahre mit Franz Theodor Csokor, Egon Friedell oder Kerstin Strindberg schrieb, sind nicht erhalten.“
Gespräch zwischen Andreas Weiss und Walter Wehmeyer am 01.08.2014